Das radikale Spektrum

Einleitung

Das politische Spektrum zu Visualisieren ist eine Aufgabe, der schon viele Personen nachgegangen sind. Solche Darstellungen sind in jedem Fall stark vereinfacht, teilweise irreführend und oft am aktuellen, lokalen Zentrismus festgemacht, somit also nicht international, zeitlos oder für radikale Positionen gültig.

Wir möchten in diesem Text zunächst konkret auf die Versäumnisse und logischen Fehler etablierter Modelle eingehen und anschließend einen Gegenvorschlag erstellen, der sich an den Wurzeln politischer Theorie orientiert und vor allem radikale Positionen differenzierter darstellt. Dabei werden wir auf viele verschiedene Positionen Bezug nehmen und diese in das Modell nach unserer eigenen Wahrnehmung einordnen.

Zuletzt möchten wir kurz darauf eingehen, was der Sinn unseres Modells ist und wie und zu welchem Zweck es angewandt werden kann.

Probleme der etablierten Darstellungsmöglichkeiten

Skizze des Hufeisenmodelles

Das Hufeisenmodell

Das Hufeisenmodell gehört zu den einfachsten und primitivsten Darstellungsmethoden überhaupt. Es stellt das breite politische Spektrum als eindimensional dar, von Links über den Zentrismus nach Rechts; die Extreme nähern sich wieder an.

Auch wenn es einen ganz anderen Zweck hat als z.B. der nachfolgende politische Kompass oder unser eigenes Modell, kann man sich mit ihm die oberflächlichen Vorstellungen von politischen Positionen wie sie in großen Teilen von Bevölkerung, Medien und Justiz herrschen, erklären.

Die Extreme

Die Fehler des Hufeisenmodells sind offensichtlich: Eine Einteilung sämtlicher Ideologien in genau zwei Pole ist einfach nicht möglich. Besonders autoritärer Kommunismus wie z.B. der Stalinismus gilt nun genauso als linksextrem wie absolut utopistischer Anarchismus, obwohl sie fast gar nichts miteinander zu tun haben – viel näher ist der Stalinismus am komplett gegenüberliegenden alten Faschismus. Gleichzeitig werden die verschiedenen Strömungen am selben Ende des Hufeisens so komplett gleichgesetzt. Weil das Hufeisenmodell zwischen den einzelnen Ideologien also keine Art der Unterscheidung vornimmt, also nicht zwischen verschiedenen linken Positionen unterscheidet und diese gleich den rechten Positionen bewertet, könnte man dieses Modell genauso gut auf einer einzelnen Linie von zentristisch bis extremistisch anlegen. Spätestens dann würde klar werden, dass eigentlich gar keine Visualisierung des politischen Spektrums vorliegt. Viel eher soll hier das Vorgehen gegen Extremismus und Radikalität jeder Art gleichermaßen legitimiert werden. Wie „gefährlich“ diese sind wird nämlich nur an der Distanz zum Zentrum, nicht aber an deren tatsächlichen Forderungen und Ideen festgemacht. Eine inhaltliche Auseinandersetzung wird absichtlich vermieden.

Die Mitte

Aber nicht nur die Ränder dieses Hufeisens werfen ihre Fragen auf. Auch die hier gewählte Mitte zeigt eine Schwäche dieser Darstellung. Anders als politisch radikale Einstellungen, die i.d.R. an philosophischen und politikwissenschaftlichen Texten festgemacht sind, verändert sich nämlich der hier gelegene Zentrismus immer wieder; er stellt keine feste Position dar, verschiebt sich also z.B. bei einem sog. Rechtsruck nach rechts. Ihn als Mitte und Angelpunkt darzustellen ist hingegen des Namens komplett unlogisch.

Ein weiterer Fehler dieses Modells ist die Abwesenheit aller politischer Strömungen neben „links“ und „rechts“. Wo wären beispielsweise fundamentalistisch-religiöse Extremisten einzuordnen? Wo extrem Konservative? Und können Demokraten nicht genauso wie alle anderen konsequent und militant ihre Meinung verteidigen („Extremismus der Mitte“)? Wo wäre das einzuordnen? Sowohl im linken, als auch im rechten Spektrum gibt es Personen, die viel mehr als „links“ oder „rechts“ primär religiös oder konservativ sind. Oder Personen, die sich gar nicht klar links oder rechts einordnen lassen. Oder solche, die links und rechts absichtlich miteinander verbinden wollen. Querfront nennt man das, und man findet sie beispielsweise im aktuellen westeuropäischen Populismus (so regieren in der Slowakei beispielsweise Linkspopulisten zusammen mit Ultrarechten, während sich in Deutschland Sarah Wagenknecht eine Bewegung aufbaut, die nach Umfragen besonders Wähler der Linken und AfD anzieht) oder der Konservativen Revolution in der Weimarer Republik. Die ist in erster Linie also extrem konservativ, aber auch rechtsextrem und fast ebenso linksextrem. Wo ordnet man sie auf dem Hufeisenmodell ein?

Dass das Hufeisenmodell bis heute in der Justiz angewendet und in der Schule vermittelt wird, halten wir für äußerst bedenklich. Es handelt sich um eine extrem oberflächliche Betrachtung, dessen einziger Nutzen ist, das aktuelle System zu legitimieren und Unverständnis in der Bevölkerung gegenüber radikaler Positionen beizubehalten und zu fördern.

Skizze des Political Compass'

Der politische Kompass

Basierend auf älteren Modellen hat es der politische Kompass durch den Online-Selbsttest „The Political Compass“ geschafft, große Popularität und damit eingehende Anerkennung zu erlangen, auch wenn er unter Politiktheoretikern heftig umstritten ist.

Hier werden zwei Achsen verwendet, auf denen die Positionierung wie auf einem Koordinatensystem funktioniert: Es geht von autoritär bis libertär und von links nach rechts. In den vier Ecken sitzen der Kommunismus, der Anarchismus, der Faschismus und der extreme Wirtschaftsliberalismus. Für Menschen, die es gewohnt sind, politische Positionen mit den in diesen acht genannten Wörtern zu beschreiben, erscheint das System zunächst einleuchtend.

Die links-rechts-Achse

Dabei ist klar, dass die links-rechts-Unterteilung oft nicht funktioniert. Man könnte sie als veraltete oder zumindest zu stark vereinfachte Darstellung bezeichnen. Links könnte man so definieren, dass alle Menschen die gleichen Rechte haben sollten; niemand sollte sich über andere stellen, und wenn jemand z.B. durch Beeinträchtigungen, Krankheit, seine Vergangenheit, Herkunft oder Anderes Nachteile hat, sollten diese ausgeglichen werden. Die rechte Seite sieht das anders: wer besondere Führungsfähigkeiten hat, sollte von seinen Talenten profitieren dürfen. Bestimmte Gruppen dürfen oder sollten sogar ausgegrenzt oder benachteiligt werden.

Dass diese Einteilung nicht eindeutig ist, wird schnell klar: wenn man sich dafür einsetzen würde, dass 95% der Menschen auf magische Weise die exakt gleichen Rechte haben, alle Anderen aber umso mehr über oder unter ihnen stünden, wäre das links oder rechts? Man könnte argumentieren, dass die Gleichheit gestiegen ist, weil nun fast alle komplett gleichgestellt sind. Man könnte aber auch behaupten, dass sie abgenommen hat, weil der totale Unterschied zwischen den Mächtigsten und Machtlosesten zugenommen hat. Dabei ist dieses Konzept nicht rein fiktiv: in komplexeren Formen sehen wir ihn beispielsweise in besonders autoritären Varianten des Kommunismus (trotz Klassenkampf-These, die ja eigentlich gegen diese Einteilung ist), aber auch in Formen des alten Faschismus, dessen Zeitzeugen meinen, bestimmte Bevölkerungsgruppen zwar aufs Äußerste ausgegrenzt, innerhalb ihrer eigenen Gruppen aber so egalitär gewesen zu sein wie danach nie wieder (Stichwort „Volksgemeinschaft“). Dieses Paradoxon wird auch von Querfront-Positionen absichtlich ausgenutzt.

Die libertär-konservativ-Achse

Noch viel weniger Sinn macht aber die libertär-konservativ-Achse, denn diese zwei Begriffe stellen selbst in ihrem Grundwesen keinen Gegensatz dar. Libertär heißt, dass viele persönliche Freiheiten dadurch gelassen werden, dass sich der Staat nicht ins Persönliche einmischt (anders als beim Liberalen, wo persönliche Freiheiten durch einen starken Staat garantiert und durchgesetzt werden). Konservativ heißt, an alten Werten und Normen vorerst festzuhalten. Das hat erst mal nicht viel miteinander zu tun, sah aber etwas anders aus, als sich damals die großen politischen Strömungen in Europa gebildet haben; da war der alte Wert, an dem die Konservativen festgehalten hatten, die Monarchie. Dem entgegen stand der Liberalismus mit seinen Demokratieforderungen, aus dem sich der Libertarismus mit seiner Ablehnung jedes, d.h. auch eines selbstbezeichnet demokratischen, repressiven Staates entwickelte. Heute wünschen sich die wenigsten Konservativen aber die Monarchie zurück, und liberal und libertär sind nicht mehr synonym zu progressiv, da die Kontrolle und Überwachung des Staates in vielen Aspekten zunimmt, Freiheit mit dem Fortschritt also verloren ging.

Weil all das etwas kompliziert und schwer greifbar ist, möchten wir es an einem Beispiel erklären. Die Aussage: „Ich will, dass man in den Kneipen wieder rauchen darf“ ist sowohl absolut konservativ, da an alten Normen festgehalten wird, aber auch absolut libertär, weil man auf persönliche Freiheit durch Abwesenheit von (staatlich veranlasster) Kontrolle aus ist. Ähnliche Beispiele lassen sich oft auch für aktuelle, wichtigere politische Themen finden, somit können konservativ und libertär keine logischen Gegensätze sein. Auch Dinge, die weder konservativ, noch libertär sind, gibt es; progressiv-autoritäre Positionen wären beispielsweise die Befürwortung des Überwachungsstaates oder eines Alkoholverbotes.

Zusammengefasst ist es so, dass es extrem undifferenziert ist, das gesamte politische Spektrum an nur zwei Achsen fest zu machen. Viel schlimmer ist aber, dass eine dieser Achsen unglaublich schwer greifbar und die Andere schlichtweg unlogisch ist. Der politische Kompass ist unserer Meinung nach komplett unbrauchbar.


Weitere Modelle

Das Nolan-Diagramm

Verkürzt möchten wir auf das Nolan-Diagramm eingehen, welches nach dem politischen Kompass das wohl zweitpopulärste Zwei-Achsen-Diagramm zur Visualisierung politischer Positionen ist. Würden wir differenziert auf seine konkreten Probleme eingehen, würde das hier aber den Rahmen sprengen – denn es sind sehr viele.

Es gibt jedenfalls verschiedene Varianten und Übersetzungen des Diagramms, welche den vier Ecken verschiedene Namen geben. Diese sind:

  • sozialliberal / sozialdemokratisch / progressiv / links-liberal / links
  • libertär
  • konservativ / rechts-konservativ / rechts
  • autoritär / sozialistisch / kommunistisch / faschistisch / etatistisch

Das alleine offenbart uns schon einige Schwachpunkte. Immerhin gibt es selbst in unserem Kollektiv schon Personen, die sich mit sozialistisch, libertär und konservativ gleich drei der vier Ecken zuordnen würden. Natürlich haben wir sie dem offiziellen Quiz zum Diagramm online unterzogen: es hat sie in der einzigen Ecke platziert, der sie sich nicht zuordnen würden: der sozialdemokratischen.

Vor allem ist das Quiz aber sehr stark an der Politik der USA orientiert; die Themen, um die es im Quiz geht, sind in kaum anderen Ländern relevant. Die vier Ecken versuchen außerdem, vier große politische Lager der US-Politik darzustellen (mit libertär ist allerdings rechts-libertär bzw. wirtschaftslibertär, und nicht etwa anarchistisch gemeint). In anderen Ländern gibt es oft aber ganz andere politische Lager.

Modell nach Eysenck

In zwei-Achsen-Modell nach Hans Jürgen Eysenck liegen ähnliche Fehler wie im teilweise auf ihm basierenden politischen Kompass vor, die die eindeutige Zuordnung oft unmöglich machen: seine Gegensätze autoritär und demokratisch, sowie radikal und konservativ, sind in echt keine. Auch demokratisch legitimierte Regierungen können autoritär sein, und auch Konservative können radikal sein.

Verteidigen kann man es höchstens damit, dass die radikal-konservative Achse nach den meisten Interpretationen nur die falschen Namen trägt und in echt eine links-rechts-Achse ist. Warum die Namensgebung sich nicht mit der Bedeutung deckt, ist uns unklar. Die Probleme einer links-rechts-Achse haben wir aber auch bereits klar gemacht.

Modell nach Lang

Wir haben auch ein Modell gefunden, welches das politische Spektrum kreisförmig durch die drei Achsen libertär-restriktiv, individualistisch-kollektivistisch und progressiv-konservativ darstellt. Da es viele der bereits genannten und im folgenden noch mal aufgelisteten Fehler anderer Modelle nicht übernimmt, halten wir es für eine der besten Darstellungen. Dazu gibt es eine gute und sofort nachvollziehbare Übersicht über die deutsche Parteienlandschaft. Auch hier ist eine Position aber auf nur drei Aspekte beschränkt, und durch die unkonventionelle Struktur aus drei Achsen in nur zwei Dimensionen ist die Darstellung von vielen Positionen nicht möglich; die Grundströmungen sind angeordnet in der Reihenfolge individualistisch, libertär, progressiv, kollektivistisch, restriktiv und konservativ. Es kann also Zwischenpositionen von benachbarten Strömungen geben, z.B. libertär-progressiv, doch die Darstellungsweise verbietet andere Zwischenpositionen wie z.B. libertär-kollektivistisch oder progressiv-restriktiv, die vielleicht nicht in der deutschen Parteienlandschaft, in der deutschen Bevölkerung aber zweifelsohne existieren.

Wir haben nicht viele Informationen über den Ursprung dieses Modells gefunden. Wir kennen es von der Internetseite Philoclopedia, auf der ein Artikel zur Erklärung der einzelnen Achsen steht. Eine ältere, archivierte Internetseite nennt Olaf Lang als Entwickler des Spektrums, doch wir konnten nichts über diese Person herausfinden. Das Spektrum ist zwar gar nicht so weit von unserer eigenen Darstellungsweise entfernt, doch haben wir uns vom Achsenmodell gelöst. Dazu aber gleich mehr.


Fazit

Auf weitere, noch weniger bekannte Modelle möchten wir hier nicht konkret eingehen, zumal wir die wichtigsten Kritikpunkte schon genannt haben. Noch einmal zusammen gefasst sind das diese:

  • eine klare Einordnung einer Position in „links“ oder „rechts“ ist oft schwer durchführbar, rein subjektiv, oder gar nicht möglich,
  • eine klare Einordnung einer Position in liberal oder konservativ ist in der Regel nicht möglich,
  • ein politisches Spektrum anhand weniger fester Achsen zu modellieren ist extrem vereinfacht und i.d.R. irreführend; es stellt außerdem nur bestimmte Aspekte der Position dar und lässt andere komplett offen,
  • eine Ausrichtung am Zentrismus sorgt dafür, dass ein Modell nicht zeitlos und nicht international anwendbar ist, und
  • bestimmte Darstellungsarten können dafür sorgen, dass bestimmte Positionen gar nicht eingezeichnet werden können.

Wir maßen uns nicht an, zu behaupten, mit dem Folgenden das beste Modell jemals entwickelt zu haben. Viel eher haben wir eine alternative Darstellung geschaffen, die, selbst wenn sie möglicherweise eigene Fehler hat, aus den Fehlern anderer Modelle gelernt und diese nicht wiederholt hat.

Skizze des radikalen Spektrums

Das radikale Spektrum

Als Antwort auf die genannten Problematiken und Herausforderungen haben wir unser eigenes Modell entwickelt, welches vermutlich nicht perfekt, aber für das Positionieren radikaler Positionen immerhin sehr viel besser geeignet ist als die aufgelisteten Modelle.

Anstatt mit einer oder zwei Achsen zu arbeiten, wie es die meisten Spektren tun, haben wir die Kreisform gewählt. Am Rand möchten wir auf 360° verteilt die radikalsten Positionen einzeichnen und so die weiten Unterschiede zwischen ihnen klar machen. So lassen sich eine unendliche Anzahl an radikalsten Positionen darstellen (im Gegensatz zu 2 beim Hufeisenmodell und 4 beim politischen Kompass), die alle ineinander übergehen. Anders formuliert: Statt zwei Extreme oder zwei mal zwei Extreme zu verwenden, nehmen wir wahr, dass man in Hinblick auf unendlich verschiedene Dinge radikal bzw. extrem sein kann, die auch nicht unbedingt ein genaues Gegenteil haben müssen, oder auch mehrere haben können. Darum lehnen wir die Orientierung an festen Achsen ab.

Zur Orientierung haben wir den Kreis in sieben Segmente eingeteilt, zwischen denen die Positionen und Ideologien aber gleichermaßen verschwimmen und ineinander übergehen wie z.B. beim Politischen Kompass. Im Zentrum befindet sich die Neutralität, umgeben von sechs Sechsteln. Je zwei benachbarte Sechstel bilden hierbei ein Drittel, das für eine der drei ältesten politischen Strömungen Europas steht:

  • das konservative Drittel, bestehend aus
    • dem absolutistisches Sechstel und
    • dem parlamentarischen Sechstel,
  • das liberale Drittel, bestehend aus
    • dem wirtschaftsliberalen Sechstel und
    • dem individualistischen Sechstel, sowie
  • das sozialistische Drittel, geteilt in
    • das autoritäre sozialistische Sechstel und
    • das libertäre sozialistische Sechstel.

Jedes dieser Sechstel geht also am inneren Rand über gemäßigte Meinungen zur Neutralität über, und hat zwei Seiten, an denen es in die zwei benachbarten Sechstel übergeht. Am Außenrand liegen die radikalsten Positionen.

Bevor wir im folgenden auf die genaue Bedeutung der sieben Abschnitte und den in ihnen gelegenen Ideologien eingehen, möchten wir euch schon mal unsere subjektive Einordnung einiger bekannter Positionen in diesem Spektrum zeigen, damit es im folgenden nicht ganz so schwer wird, sich das Spektrum bildlich vorzustellen. Wenn Ihr also Probleme mit der Orientierung oder den Fachbegriffen habt, könnt Ihr beim Lesen immer wieder zurück zu dieser Grafik kommen:

Das radikale Spektrum mit ausgewählten Einträgen zur Orientierung Das Feld der neutralen Mitte im radikalen Spektrum

Die neutrale Mitte

Der Zentrismus bekommt keine feste Position; stattdessen steht in der Mitte die Neutralität, von der man sich immer weiter weg bewegt, wenn man sich eine Meinung bildet, bzw. schließlich „radikalisiert“.

In diesem Teil des Modells finden wir alle stark gemäßigten und nahezu neutralen Positionen. In der absoluten Mitte finden wir die absolute Neutralität bzw. Gleichgültigkeit, während weiter außen in diesem Feld auch politisch informierte und interessierte Menschen ohne starke Ideologie oder mit paradoxen Ansichten liegen können. Selbst die reine Technokratie ließe sich hier einordnen, wenn sie tatsächlich existieren könnte.

Den Ring um die Neutralität haben wir in sechs gleichgroße Teile eingeteilt, die wir im Folgenden einzeln erläutern und ihre Übergänge ineinander durch Logik oder an Beispielen klar machen werden. So sollte die Funktionsweise dieses Spektrums erklärt und seine Gültigkeit bewiesen sein.

Das Feld des libertären Sozialismus im radikalen Spektrum

Das libertäre sozialistische Sechstel

In diesem Sechstel finden sich große Teile des nicht-autoritären Sozialismus, d.h. der Sozialdemokratie, des Anarchismus, des Syndikalismus u.A. Dieses Sechstel befürwortet verschiedene Formen der direkten Demokratie oder wenig autoritären Räte- oder parlamentarischen Demokratie.

Etwa in der Mitte dieses Spektrums, aber eher am radikalen Rand als nahe der Neutralität, lässt sich Mikhail Bakunin positionieren. Er war ein früher anarchistischer Philosoph, der viele Grundgedanken des libertären Sozialismus entwickelt hat.

Das Feld des autoritären Sozialismus im radikalen Spektrum

Das autoritäre sozialistische Sechstel

In diesem Sechstel finden sich vor allem die autoritärere Hälfe der Sozialdemokratie, sowie fast alle Strömungen des Kommunismus. Es befürwortet die indirekte Herrschaft des Volkes oder der Arbeitenden (≈ „Proletariat“) durch parlamentarische Demokratie, Räterepubliken oder eine Führungselite.

Wie Bakunin im libertären Sechstel liegt in diesem Sechstel dessen großer Gegenspieler Karl Marx etwas außerhalb der Mitte. Er war ebenfalls ein großer früher sozialistischer Philosoph, der aber eine andere, autoritärere Richtung des Sozialismus entworfen hat, die zum Kommunismus zählt. In dem Konflikt dieser beiden Denker finden wir die Unterteilung des sozialistischen Drittels in die zwei bisher genannten, voneinander abgegrenzten Sechstel.

Dennoch gehen die beiden Sechstel ineinander über, wenn Kompromisse zwischen der absoluten Abwesenheit des Staates und einem besonders autoritären Staates gefunden werden – z.B. durch einen liberalen Staat, wie in der Sozialdemokratie. Weiter außen liegt als weiteres Beispiel der Syndikalismus, der zwar klar anarchistisch ist, jedoch durch seine Räte trotzdem eine klare, wenn auch repräsentative und ständig wechselnde Führungsebene besitzt, also autoritärer ist. Es gibt auch radikale Denkrichtungen, die sich gleichermaßen auf libertäre Denker und den Marxismus beziehen, wie z.B. der libertäre Kommunismus von Rudi Dutschke und der 68er Bewegung, oder Petr Kropotkins Anarcho-Kommunismus.

Das Feld des Absolutismus im radikalen Spektrum

Das absolutistische Sechstel

Im absolutistischen Sechstel finden wir von der Neutralität bis zum Rand immer absolutistischere Denkrichtungen, die konservative, rechte oder autoritäre Ideologien vertreten.

Etwa in der Mitte dieses Spektrums liegt der Monarchismus, der einige private Freiheiten lässt und deshalb nicht an den absoluten Rand passt. Natürlich lassen sich auch einzelne Herrscher positionieren, so wäre der „Sonnenkönig“ Louis XIV. weiter außen als z.B. der volksnähere Karl der Große. Noch näher am Rand finden wir den Faschismus, der ähnlich auf eine einzelne, bestimmte Person („Führer“) ausgelegt ist, aber deutlich weiter als der Monarchismus in das Privatleben eingreift. Am absoluten Rand könnte man fiktive Systeme wie das im politischen Roman „1984“ beschriebene System unter der Führung „INGSOC“s einordnen; da es dieses aber nie in echt gab und bisher keine größere Bewegung dieses je befürwortet hat, könnte man es auch außerhalb des Modells positionieren.

Der Absolutismus grenzt u.A. beim Stalinismus an den autoritären Sozialismus an, wenn die Vertretung der Arbeiter innerhalb der kommunistischen Systeme immer mehr vernachlässigt und ein einzelner Herrscher immer mächtiger wird. Auch andersherum könnten sich Alleinherrscher rein theoretisch immer mehr auf kommunistische Texte beziehen, eine Planwirtschaft einführen, sich als Vertreter des Volkes betiteln und sich so dem autoritären Sozialismus annähern (auch wenn das unseres Wissens nach nie in der Praxis geschehen ist).

Das Feld des Parlamentarismus im radikalen Spektrum

Das parlamentarische Sechstel

Das parlamentarische Sechstel beinhaltet große Teile der aktuellen zentristischen und konservativen Bewegungen, und somit die Regierungen fast aller Nationalstaaten. Wie im sozialistischen Drittel finden sich auch hier nahe der Neutralität Positionen der parlamentarischen Demokratie, während weiter außen der nicht-demokratische Parlamentarismus liegt. Das Grundkriterium ist, dass ein Parlament aus einer Vielzahl an Mitgliedern im Namen des Volkes für dieses entscheidet. Dabei ist zunächst nicht wichtig, ob, wie und von wem die Mitglieder bestimmt wurden.

Nahe dem Rand lassen sich die europäischen Revolutionen von 1848 einordnen. Beispielsweise in Deutschland wurden Parlamente aus Gelehrten und einflussreichen Menschen gebildet, die versuchten, die Macht der Monarchen zu untergraben. Sie waren nicht demokratisch gewählt, sondern haben sich selbst ernannt. Über die zukünftige Regierungsform, einzelne politische Entscheidungen und vieles andere war sich dieses Parlament nicht einig; seine einzige Forderung war die nach einer Verfassung und einem Parlament. So stellt es ein Paradebeispiel für eine besonders radikale Position in diesem Sechstel dar.

Da wir momentan in einem parlamentarischen System leben, liegen gemäßigt konservative und etatistische Parteien wie die CDU im Zentrum dieses Sechstels. Parteien, die autoritärere Systeme fordern oder einzelne Bevölkerungsgruppen diskriminieren, wie z.B. die AfD, nähern sich dem absolutistischen Sechstel an.

Den Parlamentarismus haben wir zusammen mit dem Absolutismus im konservativen Drittel platziert, denn er ist eine der ältesten Strömungen und sie hat sich überall auf der Welt etabliert – selbst für nicht-demokratische Länder ist es selbstverständlich, ein Parlament als Machtorgan zu besitzen. Besonders deutlich wird das daran, dass progressive Strömungen (anders als zu Zeiten der Monarchie) nicht mehr auf den Parlamentarismus als solchen aus sind, sondern sich unabhängig davon, ob ein Parlament Teil dieses neuen Systems sein soll, für Demokratie, Autokratie, Theokratie etc. einsetzten. Den Parlamentarismus als solchen verteidigen dagegen nur die konservativen Kräfte.

Parlamentarisches und autoritäres Sechstel gehen nahe der Neutralität u.A. durch rechts-konservative oder ultra-konservative Bewegungen wie der Neuen Rechten oder der Konservativen Revolution ineinander über. Nahe dem Rand liegt zwischen ihnen die Oligarchie, die abhängig von der Anzahl und individuellen Macht der Oligarchen näher am nicht-demokratischen Parlamentarismus oder dem Absolutismus liegt.

Das Feld des Wirtschaftsliberalismus im radikalen Spektrum

Das wirtschaftsliberale Sechstel

Im wirtschaftsliberalen Sechstel finden wir Positionen, die die Macht der Wirtschaft zur vorherrschenden Macht erheben wollen. Hierzu gehört vor allem der Neoliberalismus.

Da in vielen Nationen Firmen bereits mächtiger als manch andere Staaten sind, verlaufen wirtschaftsstarke Nationen nah an der Grenze zwischen dem wirtschaftsliberalen und dem parlamentarischen Sechstel. Den Übergang finden wir in der aktuellen politischen Landschaft an vielen Stellen, da fast alle Staaten ihre Macht vor allem auf Wirtschaft und ein Parlament verteilen. In welchem der beiden Sechstel ein System liegt, hängt davon ab, welche Macht sich durchsetzen würde, käme es zu einem tiefgreifenden Konflikt.

Weit am Rand des wirtschaftsliberalen Viertels finden wir den „anarcho“-Kapitalismus, der den Staat komplett ablehnt und die gesamte Macht ausschließlich dem Markt geben will. Auch wenn diese Bewegung wächst, gibt es kaum philosophische Texte und keine historischen Ereignisse, die darauf hinweisen würden, wie die Realität eines solchen Systems aussehen würde.

Das Feld des Individualismus im radikalen Spektrum

Das individualistische Sechstel

Das individualistische Sechstel ist nicht immer leicht greifbar, in seiner Ideologie aber sehr klar: der Fokus liegt auf dem Individuum, nicht auf Gemeinschaft, Wirtschaft, Staat oder einzelnen, bestimmten Personen. Macht wird generell abgelehnt, auch wenn sie wie beim Wirtschaftsliberalismus nur von Firmen oder wie beim libertären Sozialismus nur von der Gesellschaft kommt. In diesem Sechstel finden sich vor allem rechts-libertäre, nicht-sozialistisch anarchistische, einzelne primitivistische und andere Positionen wieder.

Wenn auch nicht mittig, sondern dem Sozialismus näher als dem Wirtschaftsliberalismus, lässt sich hier der philosophische Egoismus Max Stirners einordnen. Nach dieser Idee sollte jeder für sich selbst arbeiten, aber auch jeder für seinen eigenen Nutzen von anderen nehmen. So würde genug produziert und die Waren gleichmäßig verteilt werden, ohne dass eine gemeinschaftsorientierte Gesellschaft wie im libertären Sozialismus nötig ist.

Auch marktlibertäre Strömungen, wie sie besonders in den USA ausgeprägt sind, können in diesem Sechstel, nahe dem Marktliberalismus liegen.

Der Individualismus geht an vielen Stellen in den Wirtschaftsliberalismus über, da beide die Maxime „Jeder ist seines [eigenen] Glückes Schmied“ teilen. Die Unterscheidung findet da statt, wo die Frage danach ist, ob man tatsächlich in erster Linie für sich selbst oder doch für einen Vorgesetzten arbeitet.

Ähnlich sieht es bei der Grenze zum libertären Sozialismus aus, in welchem man ebenfalls nicht alleine, sondern in selbst gewählten Zusammenschlüssen arbeitet. Die Abwesenheit von Staaten und der Marktwirtschaft haben die beiden Ideen gemeinsam.


Weitere Hinweise

Vielleicht sind einige Aspekte zur Einordnung der Strömungen immer noch nicht klar. Deshalb wollen wir nun, da die Strömungen selbst erklärt sind, auf einige weitere Aspekte eingehen.

Verwirrungen könnte es beispielsweise deshalb geben, weil gegenüberliegende Strömungen nicht unbedingt Gegensätze sind, und weil unsere sechs Grundströmungen sich auf ganz andere Aspekte einer politischen Position beziehen (beim Wirtschaftsliberalismus steht das Wirtschaftssystem im Vordergrund, beim Parlamentarismus das politische System, im Individualismus die Rolle des Individuums etc.). Hier gilt es erneut, sich vom binären Denken in Gegensätzen und bestimmten Extremen zu lösen und die Strömungen stattdessen als solche wahrzunehmen. Radikalen Wirtschafsliberalen ist eben die Wirtschaft wichtig und radikalen Parlamentariern die politischen Strukturen; nicht nur haben sie andere Meinungen, sie sind im Bezug auf ganz andere Themen radikal. Nur durch diese Ausdifferenzierung können wir sicher stellen, dass alle diese Themen in unserer Einordnung absolut gleichberechtigt sind, und wir nicht alle Strömungen an einem einzigen Thema, welches z.B. in allen Strömungen außer einer nebensächlich sein könnte, bemessen. Daher stehen sich auch nicht Gegensätze gegenüber. Stattdessen haben benachbarte Strömungen einen nennenswerten Konsens, während die drei anderen Hauptströmungen grundlegend eigene Konzepte vorweisen.

Dadurch kann es aber auch vorkommen, dass Bewegungen sich auf ganz verschiedene Aspekte aus verschiedenen Themen beziehen und somit irgendwo zwischen nicht-benachbarten Strömungen liegen müssten. Hierbei ist im Zweifelsfall die Strömung ausschlaggebend, die das Endziel betrifft. Auch z.B. eine parlamentarische Partei kann daher in ganz anderen Sechsteln als dem Parlamentarismus liegen, wenn dieser für sie eher Werkzeug ist, um ein anderes Ideal zu erreichen.

Dazu könnte es auch Verwirrungen im Bezug auf die nicht klar im Spektrum verankerte Demokratie geben. Diese ist nämlich auf ganz unterschiedliche Sechstel aufgeteilt. Besonders prominent ist sie im Sechstel des libertären Sozialismus, welches eine Basis- bzw. direkte Demokratie fordert, aber auch im Sechsel des fast immer demokratischen Parlamentarismus. Auch Positionen aus anderen Sechsteln, die nahe der Mitte liegen, können vergleichsweise demokratisch sein, z.B. haben in der Realität auch in gemäßigt wirtschaftsliberalen Systemen alle Menschen ein Stimmrecht für ein funktionierendes Parlament und können sich darüber hinaus effektiv politisch engagieren, obwohl trotzdem die meiste Macht einer kleinen Minderheit an geld- und einflussreichen CEOs zufällt.

Zuletzt hier noch einmal der klare Hinweis, dass die sechs Hauptsrömungen nur zur Orientierung dienen! Auch Positionen, die keiner von ihnen klar zugehören, lassen sich einzeichnen, indem man ihr Verhältnis zu diesen Hauptströmungen beachtet. Deshalb muss das Spektrum auch nicht zwangsweise in diese sechs Teile geteilt werden, sondern kann auch mit ganz anderen Bezugspunkten funktionieren. Wie zu Beginn erläutert, lässt sich ebenfalls sehr einfach eine Dreiteilung des Spektrums vornehmen, und um diesen Aspekt zu verdeutlichen haben wir außerdem eine Zwölfteilung vorgenommen, auch wenn die Begriffe dort weniger eindeutig und treffend formuliert werden können:

Das radikale Spektrum, eingeteilt nach drei Bezugspunkten Das radikale Spektrum, eingeteilt nach sechs Bezugspunkten Das radikale Spektrum, eingeteilt nach zwölf Bezugspunkten

Einordnung von Nationalstaaten

Bereits angedeutet oder grob erklärt haben wir die Positionen von Bakunin, Marx, dem Syndikalismus, dem Monarchismus, dem Faschismus, Stalin, Rudi Dutschke und den 68ern, der deutschen Revolution 1848, der CDU, der Neuen Rechten inklusive AfD und der Konservativen Revolution, dem „anarcho“-Kapitalismus, Marktlibertarismus und Max Stirners. Anhand der hervorgegangenen Erklärungen und dieser Orientierungspunkte sollte nun jeder Leser fähig sein, sich selbst auf dem Modell zu positionieren.

Viel schwieriger ist es aber, ganze Systeme einzuzeichnen, vor allem wenn sie auf mehreren Säulen stehen.

Während sich historische und manifestierte Positionen klar einordnen lassen, haben Staaten viele Facetten und ändern ihre Position mit dem Wechsel der Auffassungen innerhalb der Bevölkerung und ihrer Amtsträger und Eliten. Dennoch möchten wir versuchen, zumindest die aktuellen Positionen von BRD und USA zu erörtern.

Bundesrepublik Deutschland

Die Bundesrepublik Deutschland ist mit ihrer nicht-sozialistischen parlamentarischen Demokratie auf jeden Fall im parlamentarischen Sechstel untergebracht. Sie ist aber weit vom radikalen Rand entfernt, denn auch andere Organe und Institutionen als das Parlament können hier viel Macht ausüben (Stichwort Kapitalismus, Gewaltenteilung, demokratischer Föderalismus). Daher ist sie auch vom Absolutismus noch weit entfernt, und als Exportland und einer der stärksten Wirtschaftsmächte der Welt liegt es dem wirtschaftsliberalen Sechstel sehr viel näher. Geld und finanzielle Macht (in Form von Lobbyarbeit, Kontrolle der Medien, Korruption, Finanzierung von direkter Aktion etc.) spielt hier eine wichtige Rolle in der Gesetzgebung, den Verwaltungsämtern und oft auch der Exekutive.

Vereinigte Staaten von Amerika

Auch die USA werden durch ein Parlament regiert, welches aber noch weniger demokratisch gewählt wird. Auch hat dieses deutlich weniger Macht im Vergleich zur Wirtschaft, ist aber auch eng mit dieser verbunden (z.B. durch Abgeordnete, die aus der Wirtschaft kommen oder große Aktienanteile besitzen). Obwohl auch die Gerichte hier eine immense Macht haben und der Präsident viel mehr alleine entscheiden kann als in vielen anderen Demokratien, bauen beide auf ein breit gefächertes politisches System auf. Die Macht von Präsident und Gerichten wäre vor allem aber nicht gegen den Willen der Wirtschaft bzw. der Superreichen durchsetzbar. Die genaue Position der USA ist also definitiv diskutabel, wir persönlich würden sie aber im wirtschaftsliberalen Sechstel nahe des Parlamentarismus platzieren, und etwas weiter außen als die BRD.

Die Einordnung anderer globalpolitisch höchst relevanter Staaten wie z.B. China überlassen wir denen, die sich mehr mit den dort herrschenden politischen Systemen und Machtverhältnissen auskennen. Das Ein-Parteien-System und die hybride Planwirtschaft in Tradition der kommunistischen Partei deuten aber auf einen autoritären Sozialismus hin.


Visualisierung

Schauen wir uns hier noch ein mal die Grafik vom Anfang an. Wir müssen klar stellen, dass die Einordnung aller Positionen natürlich extrem subjektiv ist, seid also nicht beleidigt, wenn wir Euch „in die falsche Ecke gestellt“ haben, sondern überlegt, wie es besser funktionieren könnte. In unserer aktuellen Wahrnehmung sieht das gesamtpolitische Spektrum aber in etwa so aus:

Das radikale Spektrum mit ausgewählten Einträgen zur Orientierung

Und jetzt?

Das radikale Spektrum ist aus verschiedenen, großteils persönlichen Gründen entstanden. Dazu zählen vor allem die Frustration mit den zu Beginn genannten Modellen und die Idee, die Nähen und Distanzen verschiedener Denkrichtungen zueinander einmal differenzierter als „Stalin und Hitler waren gar nicht so weit voneinander entfernt, wie man denken könnte“ aufzuzeigen.

Was man mit dem Spektrum anfangen kann, ist ganz unterschiedlich.

Für politisch gemäßigte Personen, aber vor allem für solche, die nicht besonders viel über radikale Positionen wissen, kann dieses Spektrum, wenn es zusammen mit einer Erläuterung kommt, ein Denken außerhalb von links-rechts und konservativ-liberal eröffnen. Verschiedene Positionen, von denen man mal gehört hat, und verschiedene Positionen, zu denen man sich nun möglicherweise selbst informieren möchte, werden übersichtlich aufgezeigt, miteinander in Relation gesetzt und deren Grundgedanken klar gemacht.

Durch die Abwesenheit eines (offiziellen) Selbsttestes entgeht einem aber natürlich ein großer Spaß an dieser Darstellungsweise: diesen Selbsttest zu absolvieren und sich mit seinen Freunden zu vergleichen. Wir setzen darauf, dass unsere Leser spätestens nach dem Lesen dieses Dokumentes genug politisches Verständnis besitzen, um sich aber auch ohne eine Vielzahl an Fragen mit limitierter zeitlicher und kultureller Gültigkeit selbst in dem Modell verordnen können. Sicherlich könnt ihr, wenn auch nur aus dem Bauchgefühl, jetzt irgendwo auf die Grafik zeigen und sagen „da gehöre ich am ehesten hin“, oder?

Wenn ihr Spaß daran habt, könnt ihr ja trotzdem ein Screenshot machen, euch an dieser Position selbst einzeichnen, das Ergebnis euren Freunden schicken und diese nach ihrer Position fragen.

Am Ende des Tages bleibt das radikale Spektrum trotzdem eine sehr vereinfachte Darstellung des politischen Spektrums. Nur vielleicht noch nicht vereinfacht genug, um massentauglich zu sein. Gleichzeitig ist jede Visualisierung des politischen Spektrums stark vereinfacht, und viele, die die Darstellung einer politischen Position in einem zweidimensionalen Feld deshalb ablehnen, werden auch hier keine Ausnahme machen. Wir respektieren diese Einstellung, teilen sie aber nicht. An irgendeiner Stelle muss Politik immer heruntergebrochen und vereinfacht werden, sonst wird sie am Ende nicht vom Volk, sondern von Eliten übernommen.

Zusammengefasst hat das radikale Spektrum also den hauptsächlichen Sinn, Nutzern und Lesern einen neuen Blickwinkel auf das politische Spektrum zu ermöglichen und ihnen auf dem Weg dahin etwas über Politiktheorie beizubringen.

In der Hoffnung, dass das funktioniert hat,

das Fachwerkhütte-Kollektiv